3. Meert Guido F.: Veno-lymphatische kraniosakrale Osteopathie. 2012 – Elsevier, München.
Prof. Neuhuber W. der Uni Erlangen bezeichnet das neue Buch von Guido F. Meert als „mutiges“ Buch und Dr. biol. Schleip R. betont die revolutionäre und „beseelte“ Sichtwiese des Buches. Der Autor selbst betrachtet das Buch als Möglichkeit, den eigenen „mechanistischen Wurzeln“ zu entwachsen und als Ansatz zum „vernetzten Denken“.
Die kraniosakrale Osteopathie ist einer der faszinierendsten Zweige der bunten osteopathischen Medizin. Um die Entwicklung der Osteopathie „begreifen“ zu können, ist es sinnvoll, zuerst nicht nur etwas über das spannende Leben von A. T. Still, W. G. Sutherland und M. J. Littlejohn, sondern auch über das Schaffen von F. J. Gall, E. Swedenborg und sogar J. W. Goethe und vielen Anderen zu erfahren. Da wo Rationalismus und Empirismus sich duellieren, da wo Materialismus und Vitalismus sich treffen, da wo Körper, Geist und Seele sich vereinigen treffen sich Leser und Autor…
Lymphgefäße sind so fein, dass bereits geringste Spannungsveränderungen zu Abflussstörungen und minimale Abflussstörungen wiederum zu Spannungsveränderungen führen können. Das Buch widmet sich den venösen, lymphatischen und zerebrospinalen Flüssigkeiten im Bereich von Kopf, Hals und zentralem Nervensystem und zeigt, wie man dort lokalisierte Störungen osteopathisch behandeln kann.
Der Autor geht weiterhin kritisch mit dem Gedankengut der Osteopathie um, aber scheut es auch nicht anzumerken, dass eine evidenzbasierte Medizin zweifelsohne eine wichtige Grundlage sein soll. Nur… EBM alleine reicht nicht aus und die Relevanz von randomisierten klinischen Studien hat durchaus ihre Grenzen. Im Rahmen der praktischen Tätigkeit eines Osteopathen in seiner Praxis ist beispielsweise eine Randomisierung und Standardisierung nicht immer umsetzbar. Die Osteopathie verfügt weiterhin momentan leider weder über die finanziellen Mittel, noch über eine Anbindung an medizinisch-wissenschaftliche Laboratorien und ist demzufolge, wie viele „Hands-on-Therapien“ von der EBM „wegrationalisiert“. Gibt es im „Big Science“ überhaupt einen Platz für osteopathische „Handarbeiter“, geschweige denn Forschungsgelder um die Effektivität der manuell-einfühlsamen osteopathischen Techniken zu erforschen?
Aus dieser Sicht erscheint es dem Autor und dem Deutschen Fortbildungsinstitut für Osteopathie – DFO umso wichtiger die Grundlagenforschung und eine „Individuum-basierte Osteopathie“ voranzutreiben. Dazu werden integrative Behandlungsmodelle vorgetragen, die in der Praxis individuell ausgearbeitet werden sollen. Es ist nun unbedingt eine Aufgabe für Universitäten und Fachhochschulen den „Denkrahmen“ etwas aufzulockern und einzuräumen, dass verschiedene „Wahrheiten“ sich gegenseitig ergänzen können. Dieses Buch kann man als „Denkanstoß“ dazu betrachten.
Es wäre unendlich schade, wenn man die kraniosakrale Osteopathie auf Grund der schlechten Reproduzierbarkeit des ominösen Kraniosakralrhythmus denunzieren würde. Dafür gibt es unzählige wichtige Themen der kraniosakralen Osteopathie, die ernsthaft diskutiert werden sollen. Dabei hat der Autor beispielsweise die Viskoelastizität der Schädelstrukturen, die Spannung der subokzipitalen myofaszialen Strukturen, die Funktionalität der Schädelnähte aus einem neuen Standpunkt, der Hämodynamik im Schädelbereich, die Spannungsmuster im Schädelbereich und etliche weitere Themen intensiv erforscht und ausgearbeitet. Mit neuen innovativen Behandlungstechniken wird Grundlagenforschung betrieben und interessante Hypothesen werden aufgestellt, die durch die experimentelle Wissenschaft ergänzt und verbessert werden sollen. Es wäre fantastisch, wenn sich im „Big Science“ Forschungsgelder für die Entwicklung dieser manuellen Behandlungsformen mobilisieren würden…